Die Balintgruppe: Mehr als nur ein Stuhlkreis
- Das Prinzip der Balint-Gruppenarbeit geht zurück auf Michael Balint (1896–1970), einen ungarischen Arzt, der die Beziehungsgestaltung zwischen Ärzten und Patienten erforschte.
In der zwischenmenschlichen Begegnung – so auch in der Arzt-Patient-Beziehung – laufen nicht nur bewusst intendierte Interaktionen ab. Es geht auch um vielschichtige unbewusste, emotional bedeutsame Vorstellungen, Erwartungen und Befürchtungen, die aus früheren lebensgeschichtlichen Erfahrungen stammen und in aktuelle Beziehungen übertragen werden.
Diese unbewussten Anteile können im Rahmen der Balintgruppe näher beleuchtet und durch den Gruppenprozess sichtbar gemacht werden, was gerade in problematischen Arzt-Patient-Begegnungen zu Veränderungen führen kann, die wesentlich zur Verbesserung der Interaktion im therapeutischen Setting beitragen.
In der Balintgruppe geht es darum, die Arzt-Patient-Beziehung zu reflektieren und den Patienten über seine Beschwerden hinaus als Gesamtpersönlichkeit mit ihren psychischen, sozialen und auch somatischen Hintergründen zu betrachten und zu verstehen. Das Konzept entstand aus der Kritik am engen Krankheitsverständnis der Medizin und aus der Tatsache, dass in der Praxis oft zu wenig Zeit für das therapeutische Gespräch zur Verfügung steht. Das führt nicht selten zu kommunikativen Missverständnissen, der Patient fühlt sich unverstanden und nicht gehört.
Aus der klinischen Erfahrung heraus ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patient gerade im Hinblick auf den therapeutischen Prozess und Krankheitsverlauf besonders wichtig. Balint selbst sprach von der „Droge Arzt“ – “Das am häufigsten verwendete Heilmittel ist der Arzt selbst.” Damit ist auch gemeint, dass Störungen in der Arzt-Patient-Beziehung den Genesungsprozess empfindlich behindern können. Umgekehrt liegt genau in dieser Beziehungsgestaltung wertvolles Potential für einen therapeutischen Prozess, den beide Seiten als befriedigend und erfolgreich empfinden.